Protestantenvertreibung

Aus Salzburgwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
"'Die um des Evangeliums willen vertriebenen Salzburger, Kupferstich von David Ulrich Boecklin, Leipzig 1732.
Die Thorer Kapelle Saalfelden. Sie wurde 1732 von der damaligen Haslingbäuerin zum Gedenken an die zwangsweise Emigration ihres Mannes errichtet.
Joseph Schaitberger
"Vertreibung der Protestanten aus Salzburg." Nach dem Original-Oelbilde von Martersteig, 1863.

Die Vertreibung der Protestanten zählt zu den dunkelsten Kapiteln in der Geschichte des Landes Salzburg.

Einleitung

Zur Zeit von Fürsterzbischof Matthäus Lang lebte Martin Lodinger, den Gerhard Florey als ersten Salzburger Emigranten bezeichnet.[1] Unter Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau wurde die Protestanten in der Stadt Salzburg (mit wenigen privilegierten Ausnahmen) bereits bis 1588 vertrieben.

Weitere Vertreibungen fanden unter Fürsterzbischof Max Gandolf von Kuenburg in den Jahren 1684 bis 1686 in Osttirol statt (insgesamt 691 Protestanten wurden wegen ihres Bekenntnisses aus dem Defereggental vertrieben- siehe Vertreibung der evangelischen Christen aus dem Defereggental) und 1686 bis 1691 auf dem Dürrnberg bei Hallein (evangelische Bergknappen).

Aber vor allem fand unter Fürsterzbischof Leopold Anton Freiherr von Firmian in den Jahren 1731 und 1732 sowie teilweise auch noch in den Jahren bis 1736 die Vertreibung der Protestanten statt.

Nach dem Ende des Fürsterzbistums wurden letztmalig noch 1837 im Zillertal (zuvor Teil des Fürsterzbistums und weiterhin zur Erzdiözese Salzburg gehörig) die Protestanten vertrieben.

Die Dürrnberger und die Deferegger Exulanten unter Max Gandolf Kuenburg

Die Fürsterzbischöfe hatten lange Zeit die Andersgläubigen auf dem Dürrnberg geduldet, da sie meist als Bergknappen im Salzbergwerk Dürrnberg und Salzbergwerk Berchtesgaden tätig waren. Die Einnahmen aus dem Salzhandel waren neben dem Erlös aus Bergwerken in den Hohen Tauern (z. B. Tauerngold) die wichtigsten Erträge zur Finanzierung des Lebenswandels des Fürsterzbischofs.

Schon um 1680 und früher hatten sich Protestanten vom Dürrnberg im Abtswald zu geheimen lutherischen Gottesdiensten versammelt. Einer der Führer der Protestanten war der Dürrnberger Joseph Schaitberger. Daraufhin wurden unter Max Gandolf Kuenburg zwischen 1684 und 1686 über 70 Protestanten vom Dürrnberg vertrieben worden, unter ihnen Joseph Schaitberger. Die minderjährigen Kinder der Protestanten wurden den Protestanten zuvor abgenommen und kamen zu Pflegeeltern.

Anfang 1685 folgte mitten im Winter die Ausweisung von 620 Protestanten des Defereggentales unter Verweigerung der gesetzlichen Drei-Jahresfrist. 300 Kinder unter 15 Jahren wurden weggenommen.

Wer damals versuchte Kinder heimlich nachzuholen und ertappt wurde, wurde strafweise als Ruderer auf venezianische Galeeren verkauft.

Die Vertreibung unter Fürsterzbischof Firmian

Nach einer ruhigen Zeit unter den gemäßigten Fürsterzbischöfen Johann Ernst Graf von Thun und Hohenstein und Franz Anton Graf Harrach wurde die Lage der Evangelischen in den Salzburger Landen sehr ernst, als Firmian den erzbischöflichen Stuhl bestieg. Er rief aus Bayern die Jesuiten in das Land, um mit ihrer Hilfe das evangelische Glaubensbekenntnis auszurotten.

Auf den Marktplätzen oder auf freiem Feld veranstalteten die Jesuiten große Versammlungen, zu denen alle Einwohner kommen mussten. Das Fernbleiben wurde streng bestraft. Die Ketzergerichte mehrten sich, die Kerker füllten sich, hohe Geldstrafen wurden verhängt. Aber alle Bekehrungsversuche der Jesuiten hatten nur den Erfolg, dass die Evangelischen sich zu um so freudigerem Bekenntnis ihres Glaubens zusammen schlossen.

Versuch der Protestanten nach friedlicher Lösung

Am 10. Juli 1731 überreichten 16 Bauern des Salzbundes dem Vikar von St. Veit im Pongau ein Schriftstück, in dem sie sich offen zum evangelischen Glauben bekannten und mitteilten, dass sich die Evangelischen Beschwerde führend an das »Corpus Evangelicorum« in Regensburg, die Vertretung der evangelischen Fürsten, gewandt und ihre Hilfe angerufen hätten. Der Vikar berichtete darüber dem Dechanten in Werfen und schilderte ihm die Urheber des Schriftstücks als Rebellen, die mit Aufruhr drohten.

Ebenfalls schon im Juli 1731 hatte aber Fürsterzbischof Firmian erste Soldaten in die Gebirgsgaue geschickt und wichtige Orte und Pässe besetzen lassen. Bei den evangelischen Fürsten suchte man die Evangelischen in den Salzburger Landen als Rebellen zu verdächtigen, um ihnen deren Teilnahme zu entziehen. Um einer Untersuchung durch die Reichsregierung zuvorzukommen, kündigte Firmian eine Kommission an, die die Beschwerden der Evangelischen untersuchen solle. Im Juli 1731 begann diese in Werfen ihre Arbeit, die sie im Lauf des Juli von Ort zu Ort fortsetzte.

Überall bekam die Kommission Klagen über harte Bedrückungen der Evangelischen zu hören. Firmian versprach den Evangelischen, er werde allen Beschwerden abhelfen, wenn sie sich nur gedulden wollten. Zugleich aber kündigte er ihnen an, dass stärkere Truppen kommen würden; sie kämen aber nur, damit etwaige schlimmere Folgen zu ihrem eigenen Besten verhütet würden. Die Ankündigung von Truppen gab den Anlass zu der berühmten Versammlung am 5. August 1731 in Schwarzach.

Der Salzbund

Hauptartikel Salzbund

Etwa 150 Vertreter der Evangelischen kamen aus verschiedenen Gegenden in einer Schenke von Schwarzach zusammen. Vor der Eröffnung der Verhandlungen tauchte einer nach dem andern die Finger der rechten Hand in das Salzfass, das auf dem Tisch stand, hob sie in die Höhe und schwor, dass er bei dem evangelischen Glauben beharren und sich durch nichts davon abbringen lassen wolle. Man beschloss, evangelische Prediger zu verlangen und Gewissensfreiheit zu fordern, inzwischen sich aber ruhig zu verhalten. Die Versammlung beschloss ferner, eine Abordnung nach Regensburg zu der Vertretung der evangelischen Reichsstände zu entsenden und zu fragen, wo man sie aufnehmen werde, wenn sie um ihres Glaubens willen genötigt sein würden, die Heimat zu verlassen.

Firmian stempelte die gemeinsame Verabredung des »Salzbundes« von Schwarzach zum Verbrechen der Rebellion und wandte sich um militärische Hilfe nach Wien an den Kaiser und nach Bayern. 5 000 Mann Fußvolk des Kaisers rückten in das Land und erhielten nur bei den Evangelischen Quartier, die für Kost und Logie aufkommen mussten. Die Bauern wurden entwaffnet und die Grenzen gesperrt. Als die Bedrückungen immer ärger wurden, wandten sich die Evangelischen noch einmal in einer Bittschrift an den Kaiser, um bei ihm ihr Recht zu suchen. Sie baten um eine Untersuchung ihrer Beschwerden durch eine aus beiden Glaubensbekenntnissen bestehende Kommission.

Der Emigrationserlass

Ehe die Antwort des Kaisers eintraf, unterzeichnete Firmian am 31. Oktober 1731 den berüchtigten Emigrationserlass (Emigrationspatent), der am 10. November bekanntgemacht wurde.

Darin hatte Firmian verfügt, dass die Protestanten das Fürsterzbistum Salzburg zu verlassen hätten, die »Angesessenen«, das heißt Grundbesitzenden, in längstens drei Monaten, die »Unangesessenen«, wie Tagelöhner, Bergleute, Arbeiter und Handwerker, in acht Tagen.

Firmians Emigrationserlass stand in offenem Widerspruch zu der Vereinbarung des »Westfälischen Friedens« von 1648, nach der ausdrücklich eine dreijährige Frist für die vorgesehen war, die sich von der Religion des Landesherrn getrennt hielten und deshalb des Landes verwiesen werden durften. Unter Berufung auf diese Bestimmung des »Westfälischen Friedens« legten die evangelischen Reichsstände in Regensburg gegen den erzbischöflichen Erlass Verwahrung ein und verlangten die Einhaltung der dreijährigen Frist bis zur Verweisung aus dem Land.

Ihnen gegenüber wurde der Emigrationserlass des Fürsterzbischofs mit der Behauptung gerechtfertigt, dass die Evangelischen nicht wegen der Religion, sondern wegen aufrührerischer Umtriebe des Landes verwiesen würden. Kaiser Karl VI. war mit dem eigenmächtigen Vorgehen Firmians in keiner Weise einverstanden; aber aus politischen Gründen musste er auf den Fürsterzbischof Rücksicht nehmen. Darum wagte er es nicht, den Emigrationserlass rückgängig zu machen, sondern begnügte sich damit, Firmian zur Milde in der Anwendung und Durchführung seines Erlasses zu ermahnen.

Der Auszug der Protestanten

Am 12. November bat Firmian formell das Herzogtum Bayern und Tirol um Durchzugserlaubnis für die Emigranten aus Salzburg und erhielt eine Absage. Am 17. November sperrten Bayern und Tirol die Grenzen zum Erzbistum Salzburg. Die vom Hofkanzler Hieronymus Cristani von Rall als " Aufwiegler, Rebellen und Ketzer" beschriebenen Salzburger Exulanten wünschte man nicht im Lande. Fragen des Durchzugs, des Verbleibs sowie der Finanzierung von Unterbringung, Kost und Bewachung waren nicht geklärt.

Schon nach 14 Tagen mussten die ersten Evangelischen, aufgelistet nach ihrer Herkunft - Zechen und Pfleggerichte - unter militärischem Schutz das Salzburger Land verlassen und ihre Kinder unter zwölf Jahren zurücklassen. Der erste Zug von 800 aus der Heimat ausgewiesenen Evangelischen kam am 27. Dezember in Kaufbeuren im bayrischen Allgäu an.

Den eigentlichen Mittelpunkt für die Züge der vertriebenen Salzburger bildete Ulm in Württemberg. Von dort aus ging der Zug durch württembergisches Gebiet hindurch und verteilte sich nach verschiedenen Richtungen. Man erwog den Gedanken einer Ansiedlung im Schwarzwald. Da kam Hilfe von Preußen. Nachdem Friedrich Wilhelm I. einen Kommissar nach Salzburg entsandt und dieser ihm eingehenden Bericht von der Not und Bedrängnis der Evangelischen in Salzburg erstattet hatte, unterzeichnete er am 2. Februar 1732 das Immigrationspatent, das die Heimatlosen nach Preußen einlud und die Vertriebenen unter den Schutz des preußischen Staates stellte. Am 29. April 1732 kamen die ersten vertriebenen Salzburger in Potsdam, Deutschland, an. Von dort ging es der neuen Heimat zu, dem preußischen Kreis Gumbinnen (der damals noch in der Provinz Preußen lag; erst 1878 kam es zur Teilung in West- und Ostpreußen und der Kreis Gumbinnen wurde Ostpreußens zugeschlagen). Vom 28. Mai 1732 bis zum 30. Juli 1733 trafen insgesamt 33 Schiffe mit 10 625 vertriebenen protestantischen Salzburgern im Kreis Gumbinnen ein; auf dem Landweg hatten von 5 533 vertriebenen Salzburgern 5 243 ihr Ziel erreicht, unterwegs waren 290 Personen gestorben. Die Stiftung Salzburger Anstalt Gumbinnen geht auf diese Zeit zurück.

Am Vormittag des 30. November 1732 mussten erneut 788 Dürrnberger Protestanten jeden Alters von ihrer Heimat Abschied nehmen und bestiegen in Hallein die bereitstehenden Schiffe auf der Salzach zur Fahrt ins Exil über Bayern nach Preußen und die Niederlande. Andere Gruppen von Emigranten gelangten sogar bis nach Ebenezer im Staate Georgia (USA).

Auf eine Anfrage, ob das Patent in dieser Jahreszeit wirklich durchgeführt werden solle, erhielt der Pfleger von Gastein folgenden Befehl:

Die Emigrationspatente müssen vollzogen werden, es gehe, wie es wolle, leide daran, wer leiden kann; keine Gnade, keine Mildt, ein anderes ist nicht zu hoffen.

Ein Jahr später, am 20. Juni 1733, erfolgte eine feierliche Begrüßung der aus dem Erzbistum Salzburg vertriebenen im Kurfürstentum Hannover aufzunehmenden Evangelischen in Göttingen. Am dritten Tag marschierte dann der Hauptzug weiter, 19 Familien mit 69 Personen blieben in Göttingen, vornehmlich Holzschnitzer. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten jedoch zogen dreizehn Familien im Februar 1735, weitere im Herbst und 1738 nochmals einige nach Nürnberg in Bayern. In Göttingen blieben nur fünf Personen zurück.

Wirtschaftliche Konsequenzen für das Fürsterzbistum

In der schmerzensreichen Entscheidung zwischen Glauben und Heimat hatten sich weit über 20 000 Salzburger zum Verlassen der Heimat entschlossen. Unter den Familiennamen der Salzburger Emigranten finden sich viele, die seither aus dem Salzburger Land verschwunden sind. Das Land Salzburg verlor in den Jahren 1731 und 1732 mehr als ein Siebtel der Gesamtbevölkerung, die damals rund 140 000 betrug. Allein im Pongau, der am stärksten von der Emigration betroffen war, standen danach 1 544 Höfe leer[2].

Siehe auch

Literatur

Titelbild Buch "Rebeller, Opfer, Siedler"

Auswahl [MGSL]

Weblinks

Quellen

Einzelnachweise

  1. Florey, Gerhard: Geschichte der Salzburger Protestanten und ihrer Emigration 1731/32, Seite 40
  2. "Salzburger Nachrichten", 3. November 2012, Buchvorstellung von Erika Scherer aus Rauris und des Salzburger Historikers Franz Steinkogler: Halt's aus Bauer!, Rupertus-Verlag, Goldegg, 2012
  3. Brock, Paul: "Die Salzburger in Ostpreußen", von ihrer Austreibung und Aufnahme in Preußen, Hamburg 1964, Nachdruck 2006, 50 Seiten
Beiträge zum Thema Protestantenvertreibung
Evangelische Kirchengeschichte in Salzburg